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bildung? ja – und

  • Autorenbild: una seeli
    una seeli
  • 10. Okt.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. Okt.

kreativity unplugged

think wild – and take humor seriously

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© una seeli

was wir lehren und wie wir lehren

Bildung ist wichtig. Darüber sind wir uns einig. Aber überlegen wir eigentlich radikal offen und ehrlich genug, wofür?

Kinder wachsen heute in eine rasend schnelle Welt hinein, die von Komplexität, Wandel und Unsicherheit geprägt ist. Viele der Herausforderungen, denen sie begegnen werden, kennen wir heute noch nicht. Die Jobs, die sie einmal ausüben werden, existieren grösstenteils noch gar nicht. Und dennoch halten wir am Modell Schule fest, als wäre es altbewährt. Dabei ist es ein Modell, das fertige Antworten auf bekannte Fragen trainiert – anstatt den Umgang mit offenen, ungelösten Fragen zu fördern, für die es noch keine Patentrezepte gibt.

Wenn wir die Art, wie wir unterrichten, nicht verändern, haben wir in 30 Jahren ein echtes Problem.

– Jack Ma


Ein Satz, der hängen bleibt – und provoziert. Berechtigterweise. Was Kinder heute lernen, formt Zukunft. Umso wichtiger, dass wir reflektiert und aufrichtig fragen: Was lehren wir – und wie?



aus der Zeit gefallen?

Auch Jack Ma, Gründer und langjähriger Chef der Alibaba Group, fordert ein radikales Umdenken in der Bildung. Denn das, was wir unseren Kindern heute beibringen, ist „wie vor zweihundert Jahren – wissensbasiert“. Doch genau dieses Wissen ist in einer Welt intelligenter Maschinen nicht mehr entscheidend – weil Maschinen schneller, präziser und leistungsfähiger sind als wir, reicht wissensbasierter Unterricht allein nicht mehr aus.

Everything we teach should be different from machine. If the machine can do better… you have to think about it.

– Jack Ma


Was wir stattdessen brauchen, sind Lernräume für das, was Maschinen nicht können: Menschlichkeit. Ma nennt als zentrale Zukunftskompetenzen: Wertebewusstsein, Überzeugungskraft, unabhängiges Denken, Teamfähigkeit und Fürsorge für andere.

Solche Fähigkeiten entstehen nicht durch reine Wissensvermittlung, sondern durch Erfahrung, Begegnung und kreativen Ausdruck. Deshalb plädiert Ma dafür, Kinder in Sport, Kunst, Musik und kreativen Tätigkeiten zu stärken. Dort lernen sie, was es heisst, zu kooperieren, sich selbst auszudrücken, Resilienz zu entwickeln – kurz: Mensch zu sein in einer zunehmend automatisierten Welt.

Und genau hier beginnt das Dilemma. Denn obwohl Fähigkeiten wie Kreativität, kritisches Denken, Teamfähigkeit oder Empathie – als Schlüsselkompetenzen gefeiert werden, bleiben sie im schulischen Alltag oft vage und wenig greifbar. Sie werden zwar bildungspolitisch diskutiert, aber selten differenziert oder systematisch gefördert. Ein Konzept wird angedacht – aber nicht durchgetragen.

Die Folge: Ein Bildungssystem, das zwar die Aufgabe hat, Kinder auf die Zukunft vorzubereiten, in seinen Ansätzen und Möglichkeiten aber in der Vergangenheit verhaftet bleibt.



21st Century Learning

Vor einigen Jahren hat die National Education Association (NEA), die grösste Gewerkschaft der Lehrkräfte der USA, eine Reihe von Expertinnen und Experten befragt, welche Kompetenzen im 21. Jahrhundert in Schule und Bildung besonders zentral sein sollten. Das Ergebnis war ein Modell, das inzwischen breite Beachtung gefunden hat: die „Four Cs of 21st Century Learning“ – auf Deutsch als die 4K bekannt: kritisches Denken und Problemlösen, Kommunikation, Kooperation sowie Kreativität und Innovation.

Forschung und Praxis sind sich einig: die 4K gelten als grundlegende Voraussetzung für zukunftsfähiges Lernen in einer zunehmend komplexen Welt, wobei sie natürlich keinesfalls der Schlusspunkt einer Debatte sind. Sie können nicht «alles» abdecken, vielmehr bilden sie ein Kondensat aus einem ganzen Bündel wichtiger Kompetenzen.


Soweit so gut – doch gerade Kreativität bleibt im schulischen Kontext oft schillernd und gleichzeitig seltsam konturlos. Im Lehrplan 21 taucht der Begriff Kreativität zwar auf, er wird aber in komplett unterschiedlichen Zusammenhängen und Bereichen genutzt und es bleibt weitgehend der betrachtenden Person überlassen, den Begriff mit eigenen subjektiven Bedeutungen zu füllen. Was genau damit gemeint ist, bleibt schwammig und wirkt dadurch irgendwie vage. Eine klare Definition fehlt. Ebenso eine verbindliche Verankerung im pädagogischen Alltag.

Meiner Meinung nach müsste Kreativität selbst die zu fördernde Kompetenz sein, denn sie ist mehr als ein Werkzeug, sie ist eine Haltung. Kreativität gilt heute als Basiskompetenz – für alle. Denn sie betrifft längst sämtliche Bereiche unserer Lebenswelt.



wie repetitives Lernen zu produktivem Lernen wird

Wer Kinder beim kreativen Denken und Handeln begleitet, sieht: Hier geht es um tiefes, aktives Lernen. Kreative Prozesse fordern Kinder kognitiv, emotional und sozial. Sie wechseln Perspektiven, denken um die Ecke, halten Unsicherheit aus. Sie treffen Entscheidungen, probieren aus, scheitern, versuchen es anders. Genau dabei entwickeln sie Fähigkeiten, die sie fürs Leben brauchen. Kinder haben viel Freude an dieser Art von Auseinandersetzung mit der Welt, sie entspricht ihrer inneren Natur.

Das Gute: Kreativität ist trainierbar. Es gibt Methoden, Tools und didaktische Konzepte, nur leider sind diese in der Praxis bisher wenig verbreitet. Warum? Weil Wissen darüber fehlt. Weil Zeit und Strukturen fehlen. Weil wir selbst durch eine Bildungsmaschinerie gegangen sind, die uns in erster Linie sozialisiert hat. Kreativität wurde uns in Schule oft systematisch abtrainiert. Uns wurde beigebracht, wie wir uns einfügen und anpassen.

Meine Nominierung als grösste Erfindung der letzten tausend Jahre? Der Kindergarten.

– Mitchel Resnick


Noch mehr Gutes: Es gibt bereits Räume, in denen Kreativität wachsen kann. Der Kindergarten ist ein wunderbares Beispiel aus unserem bestehenden Bildungssystem. Auch die Begabungs- und Begabtenförderung (BBF) gewinnt an Beachtung und bringt eine kraftvolle Perspektive auf Lernen in unsere Bildungslandschaft. Hier kommen ganzheitliche, spielerische, themenübergreifende und explorative Konzepte zum Tragen, offene Lernsettings, beispielsweise in der Projektarbeit, bei denen Kinder selbstbestimmt Ideen entwickeln und umsetzen lernen. Mitchel Resnick, Professor für Bildungsforschung am MIT Media Lab bezeichnet diesen Prozess als ‚Spirale des kreativen Lernens‘:


Imaginieren – sich etwas ausdenken

Kreieren – etwas erschaffen

Spielen – spielerisch experimentieren, ausprobieren

Teilen – mitteilen und interagieren

Reflektieren – Erfahrungen überdenken und weiterentwickeln

und wieder

Imaginieren...


Dieser iterative Prozess ist der Motor kreativen Denkens – und wird in Lernumgebungen wie BBF oder Kindergarten kontinuierlich neu durchlaufen. Dadurch entwickeln und verfeinern Kinder ihre Fähigkeiten als kreative Denker:innen. Genau hier entsteht echtes Lernen – repetitives, rezeptives Lernen wird zu produktivem Lernen.



wir brauchen Mut zur Lücke – und zur Zukunft

Reines Wissen reicht nicht. Kinder brauchen Orientierung in einer Welt, die sich ständig verändert. Dazu gehört es, Unsicherheiten auszuhalten, selbst Fragen zu stellen, eigenständige Wege zu denken. Schule muss mehr sein als Prüfungsvorbereitung – sie soll fit machen fürs Leben.

Bildung? Ja klar, als Einladung zu kritischem Denken. Zum Gestalten. Zum Möglichmachen.


Und: Das mutigste Projekt unserer Gesellschaft.




inspirierend:

Jack Ma on the future of education (teamwork included) – WEF 2018


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by foundations world economic forum - 20th anniversary schwab foundation gala dinner, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75083518

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